No Fucking Thanks
Wien, 11.2.2022
Liebe Leserin, lieber Leser,
es gibt jetzt praktisch eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder du bist auf sozialen Medien aktiv und hast in den letzten Wochen und Monaten schon derart oft das Akronym NFT gelesen und gehört, dass dir der Mist aber schon sowas von hart auf den Nerv geht. Oder aber du genießt ein beneidenswert harmonisches Leben abseits dieser Müllkippe, die wir hier so unsere Diskursecke nennen.
Ja, es wurde bei Gott schon sehr viel über Non-Fungible Tokens geredet, auch auf WASTED, und wenn du die Nerven behalten hast, dich zu diesem unausweichlichen Hype schon schlau zu machen, werde ich dich nicht mit technischen Erklärungen von oben herab quälen. Nur zur Sicherheit, oder falls du, wie erwähnt, zur beneidenswerten Gruppe 2 gehören solltest: Dieser Text* von Tante deckt so ziemlich alles ab, wenn du Zeit hast, kannst du dir auch in unfassbar unterhaltsamen zwei Stunden und 18 Minuten von Dan Olson erklären lassen, was sein Problem with NFTs** ist.
Kurz rekapituliert: NFTs sind durch ihre Anknüpfung an die Blockchain-Kryptowährung Ethereum nach wie vor und wohl noch länger ein weiterer Ölkanister, der auf diesen brennenden Planeten gekippt wird. Missbrauch und Beschiss wird durch die Blockchain kaum Einhalt geboten und letztlich geht’s beim vermutlich orchestrierten und eingekauften Hype um Affen-JPGs wohl doch nur darum, den auf Millionen, ja: Milliarden schweren Krypto-Wallets sitzenden Whales den nötigen Cashflow zu verschaffen, damit sie sich auch mal was in echtem Geld auszahlen lassen können. Das ist alles so richtig schön scheiße, aber: Mein Problem mit NFTs geht sogar noch über all diese extrem berechtigten Sorgen hinaus.
Wir sind beide hier, um über Spiele nachzudenken, und da stellt sich die Frage: Was soll der Bullshit ausgerechnet in unserem Medium? Ubisoft, Square Enix, Konami, jede Menge andere Anzugsträger in dieser umsatzstärksten Entertainmentbranche des Planeten haben sich offenbar vorgenommen, ihre Spielerschaft mit Gewalt in die schöne neue Welt der NFTs mitzunehmen, ob sie das wollen oder nicht. Der Gamedesigner Damion Schubert hat schon Mitte Januar in einem umfangreichen Twitter-Thread***so ziemlich jede Ausrede der NFT-Bubble, warum diese Technologie unbedingt in Games ihre Berechtigung hat, in Millionen Einzelteilchen zerlegt, aber das tut der Begeisterung der geldgeilen Chefetage keinen Abbruch.
Wer sich gegen die glorreiche Gaming-Zukunft mit NFTs stelle, ist wohl einfach zu blöd,**** wie Nicolas Pouard, VP bei Ubisofts Strategic Innovations Lab, treuherzig zu Protokoll gegeben hat. So gewinnt man die Herzen des Publikums.
Im Zentrum der Versprechungen und Verheißungen, für deren Würdigung ich zumindest definitiv zu blöd bin, steht dabei ein anderes Akronym: Play to Earn, kurz P2E. Warum einfach so spielen, so fragen hunderte ehrlich über diese Frage nachgrübelnde Kryptopreneuere angesichts der für sie fremden Welt des Videospielens, wenn man damit doch auch Geld verdienen kann? Warum sinnlos Zeit völlig unproduktiv mit „Spaß“ in einem schnöde NFT-losen Spiel wie etwa Horizon Zero Dawn - Forbidden West verschwenden, wenn ich mir auch durch endloses Grinden in einem hässlichen, miesen, aber durch die göttliche Gnade der Blockchain monetisierbaren Volltrottelseelenzerstörer wie Axie Infinity den Gegenwert einer Schüssel Reis im Industrieviertel Süd-Manilas erwirtschaften kann?
Aber halt - ich gehe mal einen Schritt zurück. Selbst wenn Axie Infinity und Co nicht solche absoluten Kolostomiebeutel voller Spielspaßkrebs wären, und selbst wenn sich durch die Teilnahme an diesem Deppenkarnival mehr als der Mindestlohn in diesem neuen Schauplatz der globalen Ausbeutung der Jugend in Entwicklungsländern erwirtschaften ließe: Der Hund liegt hier ganz woanders begraben.
Nämlich in einem unfassbar offenkundigen Widerspruch: Wer spielt, tut dies nicht, um zu arbeiten. Er tut es, um einen Rückzugsraum abseits dieser alles auffressenden spätkapitalistischen Verwertungslogik zu genießen. Um sich als Mensch in einer Welt losgelöst von dieser Maschine zu erleben, die nebenbei bemerkt den ganzen Planeten samt unserer Lebensgrundlagen auffrisst und die verdauten Reste aufs Konto immer weniger Hyper-Milliardäre kackt. Wer nicht verstehen kann, was der Reiz an dieser Art von absichtsloser Beschäftigung ist, wer nicht sieht, dass sie der Kern der Faszination der urmenschlichen Beschäftigung mit Spielen an sich ist, sollte niemals auch nur ein einziges Mal zu diesem Thema auch nur den kleinsten Furz hören lassen.
Genau das ist mein Problem mit NFTs in Spielen - nicht, dass sie dir und mir das Geld aus der Tasche ziehen wollen, nicht, dass sie das Betrügen leichter oder wahrscheinlicher machen, und nicht einmal, dass sie durch ihre Befeuerung der wirklich sinnlosen Energieverschwendung CO2 im Ausmaß eines realen Kriegsverbrechens gegen diesen Planeten und seine künftigen Bewohner erzeugen, obwohl Letzteres auch schon für sich allein ein top Grund ist, die Kacke zu boykottieren.
Das alles ist schlimm, doch am schwersten wiegt für mich, dass die Menschen, die „Play to Earn“ für eine gute Idee halten, offenkundig jene sind, die aber so gar keine Ahnung davon haben, was Spiele überhaupt sind.
Denn auf die Idee, dass ich nur darauf warte, doch endlich SINNVOLL, also mit GELD, für diese meine Zeit, in der ich spiele, mich bewähre, erprobe, auslasse, entspanne und ablenke, belohnt zu werden, kann nur kommen, wer statt eines Herzens einen winzigen syphilitischen Schließmuskel in der Brust hat, der den Eiter der Geldzerfressenheit schon in jede mickrige Faser seiner erbärmlichen Existenz gepumpt hat.
Put this on your fucking blockchain.
Dein
Rainer
*https://tante.cc/2022/02/04/das-dritte-web/
**https://www.youtube.com/watch?v=YQ_xWvX1n9g
***https://twitter.com/ZenOfDesign/status/1480971320431104007
****https://www.finder.com.au/ubisoft-interview-nfts
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